Mensch vs. Maschine in der digitalen Arbeitswelt
Eine von Ökonomen in den letzten Jahrzehnten viel diskutierte Thematik liefert die Fragestellung, welchen Einfluss technologischer Wandel im 21. Jahrhundert auf die Wirtschafts- und Gesellschaftsstrukturen, so wie wir sie kennen, hat. Hierbei wird insbesondere verstärkt danach geforscht, inwiefern der Produktionsfaktor Arbeit durch den Produktionsfaktor Kapital beeinflusst wird, wenn statt Arbeit, vermehrt Kapital als Inputfaktor zur Produktion beitragen soll und welche Konsequenzen sich daraus für den nationalen Wohlstand ergeben. [1] Anders formuliert geht es um den Ersatz menschlicher Arbeit durch maschinengeführte Arbeit.
In Sachen Lebensqualität hat Technologie in den letzten 200 Jahren dafür gesorgt, dass der Wohlstand einer Nation, die neue Technologien eingeführt hat, immer weiter gestiegen ist. [2] Die daraus resultierende Kehrseite, ist die Konkurrenzsituation zwischen Menschen und Maschine, welche Keynes einst als „[…] technologische Arbeitslosigkeit […]“[3] bezeichnete. Diese entsteht, wenn eingesparte Arbeit schneller wächst, als neue Verwendungen für solch eingesparte Arbeit gefunden werden können. [4]
Wann ein Unternehmen, welche Produktionsfaktoren einsetzt
Menschliche und maschinelle Arbeit sind abhängig von der Konsumentennachfrage nach Gütern. Je mehr Güter nachgefragt werden, umso mehr Arbeit wird von den Unternehmen nachgefragt. [5] Das Humankapital als weiterer Faktor der Produktion sorgt dafür, dass Menschen sich durch unterschiedliche Qualifikationen untereinander abgrenzen können. Hieraus resultieren unterschiedlich hohe Löhne, wodurch Menschen eine individuelle Entlohnung für einen komparativen Vorteil gegenüber anderen Menschen oder Maschinen erhalten. [6]
Aus gewinnmaximierender Sicht ersetzt ein Unternehmen Menschen, durch produktivere Menschen oder Maschinen. [7] Daraus abgeleitet ist des Menschen wichtigste Eigenschaft, seine Qualifikation und die Fähigkeit sich neue Kenntnisse anzueignen.
Jeder Mensch oder jede Maschine macht also in der Theorie das, was er oder sie am besten kann, bei möglichst geringen Kosten. Hieraus resultieren Arbeitsproduktivität und Substitutionskosten, als die beiden wichtigsten Faktoren für die Entscheidung eines Unternehmens in menschliche oder maschinelle Arbeit zu investieren. [8]
Aufgaben ändern sich, und Prozesse werden effizienter
Bei einigen Aufgabentypen konnte sich der Mensch lange sicher fühlen, nicht ersetzbar zu sein. Aufgaben lassen sich unterscheiden in Routine- und Nicht-Routineaufgaben. Sie können kognitiv, manuell oder interaktiv bewältigt werden. Routineaufgaben folgen strikten Regeln, während Nicht-Routineaufgaben eher heuristisch sind und ohne erkennbare Regel ausgeführt werden. Routineaufgaben sind bis vor einem Jahrzehnt noch die leichter zu automatisierenden Aufgaben gewesen. Es galt das Credo, je strikter die Regel, desto leichter lässt sich eine Maschine programmieren. [9] Heute ist jedoch bereits festzustellen, dass auch kognitive oder manuelle Nicht-Routineaufgaben wie das Autofahren, die Krebsdiagnose sowie das Aufdecken von Präzedenzfällen oder von Ineffizienzen durch künstliche Intelligenz übernommen werden können. Möglich ist dies vor allem durch das sogenannte Machine Learning (ML), einem Teilbereich der künstlichen Intelligenz. [10][11][12]
Google und Tesla testen beispielsweise bereits automatisiertes Fahren.[13][14] IBM´s Watson übernimmt onkologische Diagnoseaufgaben. Watson verarbeitet und analysiert mittels Bilderkennungssoftware Millionen medizinischer Gutachten, Patientenakten und medizinische Journals in kürzester Zeit und entwirft Behandlungspläne mit größtmöglichen Erfolgsquoten.[15] In der Rechtsbranche analysieren Maschinen bereits im Vorfeld eines Prozesses eine halbe Million Dokumente von Präzedenzfällen in wenigen Tagen.[16] Jedes Detail eines Prozesses innerhalb von Unternehmen kann anhand von digitalen Fußspuren in Betriebssystemen mittels Process-Mining-Software aufgespürt und auf Ineffizienzen überprüft werden.[17] Solche technologischen Möglichkeiten, lassen den Menschen überflüssig wirken.
Menschen konkurrieren mehr mit anderen Menschen, als mit Maschinen
Die beschriebene existierende Konkurrenzsituation, hat Geiger mit seiner Metapher über Gazellen und Löwen treffend beschrieben. [18] Angenommen wir Menschen sind die Gazellen und der technologische Wandel ist der Löwe. Ein muss folglich Mensch nicht schneller sein als der Löwe. Es reicht aus schneller zu sein als der langsamste Mensch.
Welche Berufsgruppen sich auf Veränderungen durch Maschinen einstellen müssen, zeigt die nachfolgende Abbildung.

Ein Fazit
Dass sich Berufe verändern oder überflüssig werden, ist wie eingangs beschreiben kein neues Phänomen. Viele Aufgaben wurden in der Vergangenheit ersetzt und doch gelang es bis heute immer neue Aufgaben zu finden. Wir konkurrieren im Grunde nicht mit den Maschinen. Wir konkurrieren nur stärker untereinander. Die sich daraus ergebende Aufgabe von Gesellschaft und Unternehmen wird es sein, Menschen nicht zurückzulassen, weil sie sich in einer neuen digitalen Arbeitswelt nicht zurechtfinden. Sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeiter müssen gemeinsam eine stärkere Verpflichtung zueinander eingehen. Führungskräfte und zuständige Abteilungen in Unternehmen sind gefordert, die Qualifikationen ihrer Mitarbeiter kontinuierlich in eine Richtung zu lenken, in der sie auch in Zukunft konkurrenzfähig auf dem Arbeitsmarkt agieren können. Mitarbeiter auf der anderen Seite, müssen die Bereitschaft mitbringen sich kontinuierlich neues Wissen anzueignen.
Das Credo der Menschheit in einer digitalen Arbeitswelt voller intelligenter Maschinen lautet also: „Lebenslanges Lehren und Lernen“.
Verfasst von Jan Marwitz, Consultant bei Sopra Steria NEXT, in Kooperation mit Herrn Prof. Dr. Greiber, FH Dortmund, Fachbereich Wirtschaft.
Quellenverzeichnis:
[1] Vgl. Acemoglu, D., Restrepo, P. 2017, S. 1ff; Vgl. Acemoglu, D., Restrepo, P. 2016, S. 2ff.; Brynjolfsson, E.; McAfee; A. 2011, S. 8ff.; Frey, C.B.; Osborne, M.A. 2013, S.1ff.; Autor et. al 2003 S. 1279 ff.
[2] Vgl. Brynjolfsson, E.; McAfee; A. 2011, S. 26.
[3] Reuter, N. 2007 S.140.
[4] Vgl. Reuter, N. 2007, S. 140.
[5] Vgl. Mankiw 2004, S. 416.
[6] Vgl. Mankiw 2004, S. 437-439.
[7] Vgl. Mankiw 2004, S. 419.
[8] Vgl. Autor et al. 2003, S. 1ff.; vgl. Autor & Dorn 2013, S. 1ff; vgl. Frey & Osborne 2013, S. 1ff.
[9] Vgl. Autor et al. 2003, S. 1283.
[10] Vgl. Frey & Osborne 2013, S. 14.
[11] Vgl. Frey & Osborne 2013, S. 16ff.
[12] Vgl. Frey & Osborne 2013, S. 16ff.
[13] Vgl. Waymo 2018, Journey, URL: https://waymo.com/journey/
[14] Vgl. Tesla 2019, Fahren in der Zukunft, URL: https://www.tesla.com/de_DE/autopilot
[15] Vgl. Frey & Osborne 2013, S. 17.
[16] Vgl. Frey & Osborne 2013, S. 16ff.
[17] Vgl. Celonis 2013, Prozess-Mining: Wie funktioniert es?, URL: https://www.celonis.com/de/process-mining/how-does-process-mining-work/
[18] Vgl. Geiger 2016, S. 14.
[19] Vgl. Eigene Darstellung in Anlehnung an Wolter et.al., 2016, S. 26ff.
Literaturverzeichnis:
Acemoglu, Daron; Restrepo, Pascual (2017): Robots and Jobs: Evidence from US Labor Markets. Online verfügbar unter http://www.nber.org/papers/w23285, zuletzt geprüft am 03.07.2017.
Acemoglu, Daron; Restrepo, Pascual (2016): The race between machine and man: Implications of technology for growth, factor shares and employment. Online verfügbar unter https://www.nber.org/papers/w22252.pdf, zuletzt geprüft am 17.04.2019.
Autor, David; Levy, Frank; Murnane, Richard (2003): The Skill Content of Recent Technological Change: An Empirical Exploration. In: The Quarterly Journal of Economics (November 2003), S. 1279–1333. Online verfügbar unter https://economics.mit.edu/files/11574, zuletzt geprüft am 24.07.2017.
Autor, David H.; Dorn, David (2013): The Growth of Low-Skill Service Jobs and the Polarization of the US Labor Market. In: American Economic Review 2013 (103(5)), S. 1553–1597. Online verfügbar unter http://dx.doi.org/10.1257/aer.103.5.1553, zuletzt geprüft am 20.09.2017.
Brynjolfsson, Erik; McAfee, Andrew (2011): Race Against The Machine. How the Digital Revolution is Accelerating Innovation, Driving Productivity, and Irreversibly Transforming Employment and the Economy. Lexington, Massachusetts: Digital Frontier Press.
Frey, Carl Benedikt; Osborne, Michael A. (2013): The future of employment: How susceptible are jobs to computerization?*. Online verfügbar unter http://www.oxfordmartin.ox.ac.uk/publications/view/1314, zuletzt geprüft am 16.08.2017.
Geiger, Martin (2016): Schneller als die Konkurrenz: Wettbewerbsvorteil Geschwindigkeit. 1. Aufl. Offenbach: GABAL Verlag.
Mankiw, Nicholas Gregory (2004): Grundzüge der Volkswirtschaftslehre. 3. Aufl. Stuttgart: Schäffer-Poeschel.
Reuter, Norbert (2007): Wachstumseuphorie und Verteilungsrealität. Wirtschaftspolitische Leitbilder zwischen Gestern und Morgen. Mit Texten zum Thema von John Maynard Keynes und Wassily W. Leontief, 2. vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage, Marburg 2007, S. 135–147.
Wolter, Marc; Mönnig, Anke; Hummel, Markus; Zika, Gerd; Helmrich, Robert; Maier, Tobias; Neuber-Pohl, Caroline (2016): Wirtschaft 4.0 und die Folgen für Arbeitsmarkt und Ökonomie. Szenario-Rechnungen im Rahmen der BIBB-IAB-Qualifikations- und Berufsfeldprojektionen (13/2016). Online verfügbar unter http://www.iab.de/185/section.aspx/Publikation/k161108j05, zuletzt geprüft am 04.10.2017.
Internetquellen:
Waymo (2018): Journey, URL: https://waymo.com/journey/, Stand 17.04.2019, zuletzt geprüft am 17.04.2019.
Tesla (2019): Fahren in der Zukunft, URL: https://www.tesla.com/de_DE/autopilot, Stand 17.04.2019, zuletzt geprüft am 17.04.2019.
Celonis (2019): Fahren in der Zukunft, URL: https://www.celonis.com/de/process-mining/how-does-process-mining-work/, Stand 17.04.2019, zuletzt geprüft am 17.04.2019.