Papierlos arbeiten? – Vor- und Nachteile einer digitalen Akte (I)

Reihe: Digitalisierung im öffentlichen Sektor

In unserer Reihe „Digitalisierung im öffentlichen Sektor“ analysieren wir aktuelle Trends, sowie den Stand der Digitalisierung insb. bei Kommunen, und beleuchten diese an Beispielen aus der Praxis.

Bereits seit sehr vielen Jahren wird auf den einschlägigen öffentlichen Konferenzen über die Einführung der eAkte diskutiert. Was im privaten Bereich bereits lange Standard ist (insb. die großen Tech-Firmen, wie z.B. Microsoft setzen hier seit vielen Jahren Maßstäbe und verzichten, sowohl in der Unternehmensführung, als auch im Betrieb, nahezu vollständig auf Papier) wird in der öffentlichen Verwaltung bisher wenn überhaupt nur in Inselprojekten praktisch gelebt. Spielt die öffentliche Verwaltung also einfach nur wieder die ihr vielfach vorgeworfene Rolle der „lahmen Ente“ oder gibt es tatsächlich gute Gründe auf eine Einführung elektronischer Akten zu verzichten, oder diese zumindest hinauszuzögern?

Aus der persönlichen Erfahrung heraus, sowie diversen Gesprächen mit Bedenkenträgern und Vorträgen zu diesem Thema lassen sich folgende Argumente gegen die Einführung einer eAkte festhalten:

Mitarbeiterbezogene Befürchtungen

Die meisten Mitarbeiter und Führungskräfte im öffentlichen Dienst haben mehr oder weniger stark ausgeprägte Bedenken gegen eine digitale Aktenführung. Wirkliche Vorreiter und Befürworter einer digitalen Umstrukturierung des eigenen Arbeitsbereiches können hingegen nur selten angetroffen werden und sind zum größten Teil der jüngeren Generation oder der gehobenen Führungsebene, die sich intensiver mit der Thematik und den Vorteilen auseinandergesetzt haben, zuzurechnen.

Wenn also Mitarbeiter, die sich weniger mit der Thematik der digitalen Aktenführung beschäftigt haben, größere Zweifel haben, ist offensichtlich ein Grund für die Nichteinführung die „Angst vor dem Unbekannten“. Hier führen die Mitarbeiter in persönlichen Gesprächen insb. an, dass eine Papierakte einfacher und verständlicher zu lesen und zu bearbeiten (gemeint sind hiermit insb. Markierungen im Dokument) sei. Außerdem finde man sich in solch einer Papierakte wesentlich schneller zurecht und könne diese bei Bedarf auch direkt an die Kollegen weiterreichen, ohne „aufwendige E-Mails“ zu versenden.

Außerdem besteht eine – häufig nicht direkt ausgesprochene – Angst vor einer Unveränderbarkeit der digitalen Akte („Was wenn man mal eine Seite einfach entfernen will“), sowie einer Nachverfolgbarkeit und Überwachung der Aktenführung. Zudem wird auch vielfach der digitalen Datenhaltung an sich nicht vertraut („Und was, wenn plötzlich alles weg ist?“).

Zuletzt spielen – gerade bei älteren Mitarbeitern – auch noch weniger rationale und nicht offen artikulierte emotionale Gründe eine Rolle, wie z.B. die Angst davor bei Veränderungen einfach nicht mehr mitzukommen und eine grundsätzliche Überforderung beim Umgang mit technischen Geräten.

Gesetzliche Hürden

Zusätzlich zu diesen Argumenten „von innen“ kommen auch noch faktische Grenzen der digitalen Aktenführung, die durch den Gesetzgeber vorgegeben werden. So gilt grundsätzlich das „Prinzip der Aktenmäßigkeit“. Dies besagt, dass alle entscheidungsrelevanten Unterlagen zu einer Verwaltungstätigkeit in einer Akte zu führen und für Außenstehende nachvollziehbar zu dokumentieren sind (=> Nachvollziehbarkeit und Transparenz des Verwaltungshandelns). Konkretisiert wird dieses Prinzip durch diverse Normen, wie das Verwaltungsverfahrensgesetz, das Archivgesetz oder auch das Datenschutzgesetz.

Am problematischsten in Verbindung mit der Digitalisierung und insb. der anschließenden Vernichtung von Papier-Akten ist hierbei das Signaturrecht, was vorgibt, inwiefern eine digitalisierte Akte Gültigkeit besitzt. Sehr grob zusammengefasst bedeutet dies für das Digitalisieren von Papierakten, dass zunächst der Schutzbedarf des Dokumentes bestimmt werden muss um daraufhin zu definieren welche Art von elektronischer Signatur (angefangen von der einfachen Signatur bis hin zur qualifizierten Signatur mit Anbieterakkreditierung) notwendig ist, damit das Dokument seine volle Beweiskraft (auch vor Gericht) behält, wenn es einmal digitalisiert ist.1

Hieraus resultieren folgende praktische Probleme:

  1. Viele Führungskräfte sind von der Thematik so überrollt und in Teilen auch überfordert, dass Sie aus Vereinfachungsgründen darauf verzichten sich näher hiermit zu beschäftigen, frei nach dem Motto „Mit Papierakten funktioniert es doch auch hervorragend. Wieso sollte ich mir dies also antun?“
  2. Außerdem haben viele Entscheidungsträger Angst vor Fehlern insb. bei der Entscheidung zur Vernichtung der Papierdokumente, dem sogenannten ersetzenden Scannen. Zwar ist man sich in der Praxis oft „relativ sicher, dass diese Dokumente nicht in Papierform benötigt werden“ doch um auch das kleinste Restrisiko einer Fehleinschätzung auszuschließen, bewahrt man die Dokumente doch lieber auf.
  3. Viele Digitalisierungsprojekte scheitern bereits in der Planung und noch vor der Einführung daran, dass die Hürden für Teile der zu digitalisierenden Dokumente als zu groß, zu aufwendig und zu teuer angesehen werden. Allein der erste Schritt „Bestimmung des Schutzbedarfs der zu scannenden Dokumente“ kann hierbei bereits das Projektende bedeuten, weil dies bei der Vielzahl der Dokumente in der öffentlichen Verwaltung ein sehr umfangreiches Vorhaben ist.
  4. Zuletzt ist die technische Umsetzung eines ersetzenden Scanvorgangs von Dokumenten mit hohem Schutzbedarf sehr aufwendig und fordert viele personelle Ressourcen, die viele Kommunen hierfür nicht bereitstellen können oder wollen.²

Weitere Gegenargumente

Natürlich gibt es noch diverse weitere Gründe gegen eine Digitalisierung von Verwaltungsakten, die hier nicht abschließend aufgeführt werden können. Hervorzuheben sind aber noch die Datenschutzthematik (Wo landen die gescannten Daten? Gehen die externen Scankräfte oder der beauftragte Scan-Dienstleister verantwortungsvoll mit den persönlichen Daten um? Wie kann ich sicherstellen, dass meine digitalen Akten sicher vor Spionage sind?), sowie die Kosten-/Nutzenthematik (Wie teuer wird der Scanprozess? Lohnt sich der ganze Aufwand überhaupt? Woher soll ich die personellen Ressourcen für die Vorbereitung und Durchführung nehmen?)

Es lässt sich also festhalten, dass es eine Menge Argumente gegen die Einführung einer eAkte in einer Kommune gibt. Dem gegenüber stehen jedoch einige gewichtige Vorteile, die im nächste Woche Montag erscheinenden Artikel genauer behandelt werden sollen…

Fußnoten

[1] siehe hierzu: https://www.bsi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/BSI/ElekSignatur/esig_pdf.pdf;jsessionid=2526D215A5B89331FDD04374A67AF29A.2_cid341?__blob=publicationFile&v=2
[2] Siehe hirezu: https://www.bsi.bund.de/DE/Publikationen/TechnischeRichtlinien/tr03138/index_htm.html