Papierlos arbeiten? – Vor- und Nachteile einer digitalen Akte (II)
Reihe: Digitalisierung im öffentlichen Sektor
In unserer Reihe „Digitalisierung im öffentlichen Sektor“ analysieren wir aktuelle Trends, sowie den Stand der Digitalisierung insb. bei Kommunen, und beleuchten diese an Beispielen aus der Praxis.
„Die eAkte bringt keinen wirklichen Vorteil!“
„Unsere Mitarbeiter kämen mit der eAkte nicht zurecht!“
„Der Aufwand der Einführung der eAkte steht in keinem Verhältnis zum Nutzen!“
„Papier wird bei uns nicht vernichtet! Man weiß nie, ob man es nicht doch noch braucht!“
Diese und viele viele andere Argumente (siehe Teil I des Artikels) wehen einem entgegen, steht man vor der Aufgabe im eigenen Unternehmen die digitale Aktenführung einzuführen. Dies gilt umso mehr für die öffentliche Verwaltung.
Doch was lässt sich diesen Kritikern entgegnen? Welcher Nutzen lässt sich denn tatsächlich durch die eAkte generieren? Aus bereits erfolgreich abgeschlossenen Digitalisierungsprojekten lassen sich hier vielerlei praktische Vorteile ableiten:
Physische Platzeinsparung
Der wohl am häufigsten genannte und offensichtlichste Grund für die Einführung digitaler Akten ist der Wegfall der papierenen Gegenstücke. Kaum ein kommunales Archiv ächzt nicht seit Jahren unter der Last der sich teils seit Jahrhunderten dort ansammelnden Schriftstücke. Das enorme Alter dieser Akten resultiert sowohl aus (je nach Sachgebiet) langen gesetzlichen Aufbewahrungsfristen von bis zu über hundert Jahren, als auch aus dem Widerwillen vieler Mitarbeiter und Führungskräfte Papier zu vernichten. Tatsache ist, dass sich die meisten Menschen besser dabei fühlen Akten ins Archiv zu geben, als diese zu vernichten und dies obwohl Sie wissen, dass sie diese nie mehr brauchen werden. Aber nicht nur im Archiv, auch in den Büros der Sachbearbeiter, insb. im Bau-, Jugend- und Sozialbereich, stapeln sich nicht selten Akten bis unter die Decke.
Eine digitale Akte hingegen braucht keinerlei physischen Platz, zumindest dann nicht, wenn die Voraussetzungen für ein ersetzendes Scannen geschaffen worden sind, das papierne Gegenstück also vernichtet werden kann. Einzig und allein der Speicherplatz auf den Servern des angebundenen oder selbst betriebenen Rechenzentrums ist ausschlaggebend für die maximale Menge an aufzubewahrenden Daten. Da Speicherplatz allerdings zunehmend günstiger wird ist dies ein immer schwächeres Argument.
Reduzierung der Laufwege
Egal, ob der Bürger anruft, der Vorgesetzte etwas zu einem bestimmten Fall wissen möchte oder ein externer Dritter Akteneinsicht fordert: Der Satz „Ich laufe mal schnell in den Aktenraum“ gehört mit der elektronischen Akte der Vergangenheit an. Insbesondere für kleinere Anfragen, z.B. aus Gründen der statistischen Auswertung, ist es wesentlich angenehmer nicht jedes Mal den Platz verlassen zu müssen um die entsprechende(n) Akten zu besorgen.
Problematisch sind dafür die Laufwege, die der Sachbearbeiter unternehmen muss, um eingehende papierne Schriftstücke zu scannen. Hier kann jedoch Abhilfe geschaffen werden, indem entweder Tischscanner bereitgestellt werden, oder – und dies ist der Optimalfall – eine zentrale Scannstelle im Hause eingerichtet wird um sämtliche Eingangspost zu scannen und den Ämtern, Abteilungen und Sachbereichen elektronisch zuzuweisen.
Strukturiertheit der Daten
Aus der alltäglichen Praxis, gibt es unzählige Beispiele dafür, wie sinnvoll eine elektronische Datenstrukturierung ist. Hier einige Beispiele:
- Auskünfte können viel schneller und präziser erteilt werden.
- Wurde eine papierne Akte ausversehen falsch beschriftet, ist ein Widerfinden je nach Gesamt-Aktenumfang sehr schwierig bis unmöglich. Bei einer elektronischen Akte hingegen ist es trotz solcher Fehler auf Grund diverser Suchfunktionen und Eingrenzungsmöglichkeiten durch Filter wesentlich realistischer die Akte wiederzufinden.
- Zusammenhänge zwischen diversen Akten lassen sich wesentlich einfacher und schneller darstellen. Dies gilt insb. für statische Auswertungen. Die beispielhafte Frage „Wie viele aktive Sozialhilfeempfänger haben wir und wie viele davon sind unter 40“ lässt sich bei gut strukturierten elektronisch vorliegenden Akten innerhalb weniger Sekunden beantworten.
- Wird ein zentrales, unternehmensweites Dokumenten-Management-System (DMS) eingeführt können sogar (unter Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorgaben) ganz einfach Amtsübergreifende Zusammenhänge dargestellt werden.
Örtliche und zeitliche Unabhängigkeit
Eine elektronische Akte ist – sofern die Systeme stabil laufen und die entsprechenden Möglichkeiten zum unternehmensexternen Zugriff (z.B. via VPN) gegeben sind – zu jeder Zeit (24/7) und von jedem Ort aus abrufbar. Hieraus resultieren zum einen große Vorteile für die Führungskräfte, die teils auch von Dienstreisen oder sogar aus dem Urlaub heraus, qualifizierte Entscheidungen treffen müssen, als auch für Mitarbeiter, die beispielsweise Hausbesuche vornehmen müssen oder von zu Hause aus arbeiten.
Compliance-Problematik
Wie bereits angedeutet, gibt es für die Akten der meisten Sachgebiete gesetzliche Aufbewahrungsfristen. Genauso gibt es allerdings auch gesetzliche Löschfristen, insb. aus Datenschutzgründen bei personenbezogenen Daten. Die Einhaltung dieser Fristen bedeutet bei Papierakten viel Arbeit, da diese nach Jahr des Aktenabschlusses geordnet und danach regelmäßig auf Vernichtung geprüft werden müssen. Ein System zur Verwaltung von eAkten (z.B. ein DMS) kann sowohl Aufbewahrungs-, als auch Löschfristen mühelos integrieren und abgelaufene Akten selbständig vernichten, bzw. dem Sachbearbeiter zur Vernichtung vorschlagen, sowie eine vorzeitige Vernichtung von Akten verhindern.
Qualitätserhaltung
Während eine papierne Akte mit zunehmendem Alter an Qualität (beispielsweise durch das Verbleichen) verliert, bleibt die Qualität einer elektronischen Akte nahezu unverändert. Wichtig ist hier jedoch die Beschaffung ausreichend guter Scann-Geräte um kritische Dokumente, wie z.B. Bauakten, ohne Qualitätsverluste zu scannen.
Sicherheit der Daten
„Alles schön und gut“ könnte man nun sagen. Doch all diese Vorteile bringen nichts, wenn unsere digitalisierten Akten dann durch ein technisches Problem verloren gehen, oder noch schlimmer, durch Cyber-Kriminelle gestohlen werden.
Nun sind diese Argumente sicherlich nicht einfach von der Hand zu weisen, allerdings kann insb. die Wahrscheinlichkeit eines kompletten Datenverlustes bei gut aufgestellten Rechenzentren nahezu ausgeschlossen werden. Maßnahmen wie Datenspiegelungen und -sicherungen tragen dafür Sorge, dass im „Fall der Fälle“ Dokumente stets zurückgeholt werden können und auch versehentlicher Löschung durch den Nutzer kann durch diverse Mechaniken der Aktenverwaltungssysteme vorgegriffen werden. Tatsächlich sind digitale Akten nach Meinung der meisten Experten wesentlich besser vor Vernichtung geschützt als Papierakten, die durch mutwilliges Verhalten der Nutzer oder auch äußere Umstände (Brände, Einsturz des Gebäudes, etc.) vernichtet werden könnten oder (wie bereits erwähnt) auch einfach verloren gehen können.
Ein (teilweiser) Datendiebstahl stellt hingegen eine wesentlich realistischere Gefahr für elektronische Akten dar. Insb. große Hackerverbände anderer Länder (beispielhaft sind hier China und Russland zu nennen) würden jedes kommunale Sicherheitsnetz vermutlich vergleichsweise schnell brechen und Daten entwenden können. Glücklicherweise jedoch sind in Kommunen vorgehaltene Daten für global agierende Unternehmen und Staaten weniger von Interesse, zumindest solange sie nicht kritische Infrastrukturen oder sonstige Informationen betreffen, die unter entsprechen der Verwendung eine nationale Sicherheitsgefahr darstellen könnten und so oder so entsprechend geschützt werden müssen.
Alle anderen potentiellen Angriffe können unter normalen Umständen sehr gut durch die kommunalen Rechenzentren vereitelt werden. Eine absolute Sicherheit, dass digitalisierte Akten nicht auch entwendet werden, gibt es jedoch natürlich nicht.
Fazit
Es wird schnell klar, dass eine Umstellung auf eine digitale Aktenführung sowohl eine enorme Zeitersparnis der Mitarbeiter, als auch einen Qualitätsgewinn für die Aktenarbeit im Allgemeinen darstellt.
In Zeiten des demografischen Wandels und eines zunehmenden Dienstleistungsanspruchs der Bürger, führt an dieser Umstellung also faktisch kein Weg vorbei. Tatsächlich ist dieses Bewusstsein nach Aussage vieler neuerer Studien in den letzten Jahren auch in den kommunalen Verwaltungen angekommen. Bis auf einige Leuchtturmprojekte allerdings such man eine umfassende digitale Aktenführung auf kommunaler Ebene bisher vergeblich.
Gründe hierfür finden sich sowohl in den bereits angesprochenen mitarbeiterbezogenen Befürchtungen und gesetzlichen Hürden, aber auch, davon bin ich fest überzeugt, in der, im öffentlichen Dienst sehr weit verbreiteten, Mentalität, umfassende Veränderungen noch umfassender planen zu müssen. Diese Mentalität stößt insb. im schnelllebigen Zeitalter der Digitalisierung an ihre Grenzen und hemmt entsprechend auch die Umsetzung der Digitalisierungsbestrebungen in den Kommunen.