Tarifverhandlungen ÖD 2023

In den Tarifverhandlungen für die Mitarbeiter_innen von Bund und Kommunen endet am 29.03 die dritte und vorerst letzte Verhandlungsrunde. Die Fronten scheinen verhärtet, am 27.03 kam es zu einem der massivsten landesweiten Warnstreiks, den die Bundesrepublik je erlebt hat.

Wir haben vor diesem Hintergrund den komba Ortsverband Dorsten um eine Einschätzung und Stellungnahme zu den aktuell andauernden Tarifverhandlungen gebeten.


Stellungnahme komba Ortsverband Dorsten

Ein Streik ist definiert als „gemeinsames, meist gewerkschaftlich organisiertes Einstellen der Arbeit (durch Arbeitnehmer_innen) zur Durchsetzung bestimmter Forderungen gegenüber den Arbeitgebern“.

Das Recht der Arbeitnehmer zur Durchführung von Streiks ergibt sich aus Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG). Dabei ist das Streikrecht nicht um seiner selbst willen geschützt, sondern nur als Mittel zum Zweck des Abschlusses von Tarifverträgen.

Bei den laufenden Tarifverhandlungen des Öffentlichen Dienstes geht es um die 2,5 Millionen Tarifbeschäftigten in den unterschiedlichsten Bereichen von Bund und Kommunen.

Der bisherige Tarifvertrag hatte eine Laufzeit bis zum 31.12.2022.

Die Gewerkschaften Ver.di und der Deutsche Beamtenbund (dbb) mit seinen 41 Fachgewerkschaften fordern für eine Laufzeit von 12 Monaten ab dem 01.01.2023 10,5 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat. Des Weiteren geht es ihnen bei den aktuellen Tarifverhandlungen um die Erhöhung der Entgelte für Auszubildende, Studierende und Praktikant_innen um 200 Euro monatlich und um die Zusage einer unbefristeten Übernahme dieses Personenkreises sowie um die Fortführung des Tarifvertrages zur Gewährung von Altersteilzeit.

Außerdem sollen die vorgenannten Forderungen zeit- und wirkungsgleich auf Beamtinnen und Beamte, Richterinnen und Richter, Soldatinnen und Soldaten sowie Versorgungsempfängerinnen und -empfänger übertragen werden.

Insgesamt wurden ab Januar 2023 drei Verhandlungsrunden zwischen den Vertretern der Öffentlichen Arbeitgeber und den Gewerkschaften vereinbart, um einen neuen Tarifabschluss zu erzielen. Die dritte Verhandlungsrunde ist vom 27.03. bis zum 29.03.2023 datiert.

Um den Forderungen der Beschäftigten Nachdruck zu verleihen, haben Gewerkschaften die Möglichkeit und das Recht, während der laufenden Tarifverhandlungen zu Warnstreiks aufzurufen. Von diesem Recht haben die Gewerkschaften auch in dieser Tarifrunde bereits Gebrauch gemacht und ihre Beschäftigten zu in der Regel eintägigen Arbeitsniederlegungen auf lokaler, regionaler aber auch überregionaler Ebene aufgerufen.

Entgegen dem Vorgehen in früheren Jahren gab es dieses Mal schon nach der zweiten Verhandlungsrunde ein erstes für die Gewerkschaften nicht akzeptables Angebot durch die Öffentlichen Arbeitgeber mit nachfolgend aufgeführten Eckdaten:

  • lineare Erhöhung der Gehälter um 3 Prozent zum 01.10.2023 und 2 Prozent zum 01.06.2024
  • eine Inflationszahlung von 1.500 €uro im Mai 2023 und 1.000 Euro im Januar 2024 (hälftig für Auszubildende)
  • eine Erhöhung der Jahressonderzahlung
  • keine Verlängerung des Tarifvertrages für die Altersteilzeit
  • kein Mindestbetrag
  • bei einer Laufzeit von 27 Monaten bis zum 31.03.2025

Nach Bekanntwerden des Angebotes wurden die bis dahin bereits zahlreichen Warnstreiks der Arbeitnehmer_innen noch einmal erheblich ausgeweitet, um den Druck auf die Arbeitgeber in der verbleibenden Verhandlungsrunde zu erhöhen und in der Hoffnung, nach der dritten Verhandlungsrunde ein für alle Parteien tragbares Ergebnis erzielen zu können.

Warnstreiks im Öffentlichen Dienst führen zu Problemen im Öffentlichen Personennahverkehr aber auch auf Flughäfen, zu Schließungen von Kindertageseinrichtungen und anderen Bereichen der Verwaltungen (zum Beispiel Bürgerämter, Straßenverkehrsämter), was im Alltag der Bürger_innen aber auch bei Industrie und Handwerk zu erheblichen Beeinträchtigungen führen kann.

Die öffentlichen Arbeitgeber haben sowohl auf die aktuelle Forderungsfindung als auch auf die frühen und massiven Warnstreikmaßnahmen mit Unverständnis reagiert und diese als überzogen dargestellt. Aus deren Sicht gilt es angesichts der angespannten Haushalte vieler Städte und Gemeinden „Maß zu halten“ mit dem Verweis auf ihre besonderen Belastungen durch die Energiekrise, Ukraine-Flüchtlingen und Mobilitätswende. Des Weiteren wird angemahnt, dass hohe Tarifabschlüsse eher die Inflation „befeuern“.

Die Gewerkschaften führen an, dass die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst ohnehin durchschnittlich weniger verdienen als in vielen anderen Branchen und deshalb von der Inflation mindestens genauso oder vielleicht noch stärker wirtschaftlich betroffen sind und sich die Forderungen lediglich an der Inflationshöhe orientieren. Die Energiepreisbremse und andere bisher getroffene Maßnahmen reichen aus ihrer Sicht nicht annähernd aus, um Reallohnverluste zu kompensieren. Damit würde die Schere zwischen den Beschäftigten im Öffentlichen Dienst und anderen Branchen weiter auseinandergehen und dies würde letztlich dazu führen, dass sich noch weniger Menschen für eine Tätigkeit in diesem Bereich interessieren und dieser Umstand könnte dauerhaft die Aufgabenerledigung des Öffentlichen Dienstes nachhaltig gefährden.

Aufgrund der teilweise massiven Auswirkungen der aktuellen Warnstreiks mahnt die Politik an, sich in der anstehenden Verhandlungsrunde um einen für die Tarifvertragsparteien akzeptablen Abschluss zu bemühen, um die Auswirkungen auf die Bürgerschaft nicht noch größer werden zu lassen.

Die parallel und zwischenzeitlich (vermeintlich) zum Abschluss gebrachten Tarifverhandlungen bei der Deutschen Post sind nach zunächst gescheiterten Verhandlungen und nach der eingeleiteten Urabstimmung der Gewerkschaftsmitglieder zugunsten eines Vollstreiks dann kurzfristig mit einem Tarifabschluss (eine Einmalzahlung in Höhe von 1.020 Euro für 2023, eine monatliche steuerfreie Inflationsausgleichssonderzahlung von Mai 2023 bis März 2024 in Höhe von monatlich 180 Euro und eine lineare Erhöhung ab April 2024 in Höhe von 340 Euro monatlich) zu Ende gegangen (vorbehaltlich der noch laufenden Urabstimmung über die Annahme des Angebotes).

Es bleibt abzuwarten und ist aus Sicht der Gewerkschaften zum jetzigen Zeitpunkt eher unwahrscheinlich, ob bzw. das sich Gewerkschaften und Arbeitgeber im Öffentlichen Dienst in ähnlicher Form einigen könnten.

Sollten sich in der jetzt stattfindenden dritten Verhandlungsrunde die Arbeitgeber und Gewerkschaften nicht auf ein Ergebnis einigen, wird die Schlichtung angerufen, um gfls. darüber zu einem einvernehmlichen Tarifabschluss zu kommen. In diesem Zeitraum herrscht Friedenspflicht, sind also keine Streikmaßnahmen zulässig.

Sollte auch das Schlichtungsverfahren scheitern, drohen bis zu einer endgültigen Einigung sogar mehrtägige Vollstreiks.


Wir bedanken uns beim komba Ortsverband Dorsten für die Beantwortung unserer Fragen und die ausführliche Stellungnahme.

Das Blog4Students-Team

Celina Glaubitz, Kai Fleischer, Paul Füting