Bürokratieentlastungsgesetz IV – Können Bürokraten echten Bürokratieabbau schaffen? 

Deutschland ist Bürokratieweltmeister – so empfinden es jedenfalls viele hier ansässige Unternehmen. Sie tätigen zu wenig Investitionen, um die eingesetzte Technologie dem aktuellen Stand der Technik anzupassen. Auch die Investitionsausgaben im Bereich Forschung und Entwicklung bleiben hinter dem notwendigen Maße zurück. Die Folge ist, dass die deutsche Wirtschaft bereits jetzt in vielen Schlüsseltechnologien den Anschluss an die weltweiten Entwicklungen verliert. Das gefährdet den Wirtschaftsstandort Deutschland und damit den Wohlstand seiner Bevölkerung. Einen Grund für die fehlende Investitionsbereitschaft sehen viele Wirtschaftsvertreter in den Hürden deutscher Bürokratie. Zu viele Genehmigungen und Dokumentationen seien im alltäglichen Geschäft notwendig, sodass Unternehmen zunehmend überlegen, sich in anderen Ländern niederzulassen. Zudem dauerten die Genehmigungsverfahren für wichtige Investitionsprojekte viel zu lange.1 

Es ist also an der Zeit für Entbürokratisierung. Doch im Gegenteil, die Anzahl der bestehenden Rechtsvorschriften steigt stetig. Zwischen 2010 und 2022 stieg die Zahl der geltenden Rechtsvorschriften um 245 Gesetze und 13.753 Einzelnormen.2 Zur Einordnung: Die Zahl der Einzelnormen ist damit um 17 % gestiegen! 

Die Bundesregierung versucht seit einigen Jahren, das bestehende Regelungsgeflecht zu vereinfachen. Hierzu misst sie nicht die Anzahl der bestehenden Rechtsnormen, sondern den Erfüllungsaufwand, welcher der Wirtschaft durch die bestehenden Gesetze entsteht. Also zum Beispiel die Verwaltungskosten, die durch vorgeschriebene Anträge oder Dokumentationen in den Unternehmen anfallen. Hierzu hat sie im Jahr 2015 die “One in, One out”-Regelung eingeführt. Diese besagt, dass der Erfüllungsaufwand, welcher der Wirtschaft durch neue Gesetze entsteht, möglichst innerhalb eines Jahres durch das Außerkrafttreten anderer Vorschriften ausgeglichen werden muss. Es gibt jedoch einige Ausnahmen: Gesetze, die aufgrund einer EU-Vorgabe oder Urteilen von BVerfG und EuGH erlassen werden, werden bei der Berechnung des Erfüllungsaufwandes nicht berücksichtigt.3 Überwacht wird der Bürokratieabbau durch ein neu gegründetes Gremium, den Nationalen Normenkontrollrat. Dieser bewertet jedes neue Gesetzesvorhaben und zieht einmal jährlich in seinem Jahresbericht Bilanz.  

In Regierungskreisen wird die “One-in, One-out”-Regelung durchaus positiv gesehen. So sei diese der einzige Grund dafür, dass überhaupt am Bürokratieabbau gearbeitet werde. Doch ein Blick auf die Zahlen zeigt: Seit 2020, vor allem aber seit Start der Ampel-Koalition, ist die Bilanz der Regelung Jahr für Jahr negativ.4 Das bedeutet: Möchte die Wirtschaft alle bestehenden Gesetze befolgen, entstehen ihr dafür Jahr für Jahr höhere Aufwendungen. Um dem entgegenzuwirken, möchte die Bundesregierung noch in der aktuellen Legislaturperiode das Bürokratieentlastungsgesetz IV beschließen lassen. Hierzu hat die Bundesregierung eine Umfrage bei Wirtschaftsverbänden durchgeführt. 57 Verbände haben hierbei 442 Vorschläge zur Bürokratieentlastung eingebracht. Diese wurden durch die zuständigen Ministerien geprüft. Als Ergebnis wurde nun der Entwurf des Bürokratieentlastungsgesetzes IV formuliert. Insgesamt zehn Eckpunkte sollen den Erfüllungsaufwand der Wirtschaft demnach um voraussichtlich 2,3 Milliarden Euro reduzieren. Justizminister Marco Buschmann sagt hierzu: “Heute leiten wir die Trendwende ein: Weg von immer mehr Bürokratie, hin zu Entlastung und neuen Freiräumen zum Wirtschaften”.5  

Die Wirtschaft reagiert verhalten positiv auf die Vorschläge der Bundesregierung zum Bürokratieabbau – diese seien nur “ein Tropfen auf den heißen Stein”.6 Denn die großen Forderungen der Unternehmen und Unternehmensverbände werden mit dem Gesetzesvorhaben wohl nicht umgesetzt.  

Einige dieser Forderungen werden euch in Kürze vorgestellt. Außerdem erfahrt ihr, wie Bürokratieabbau nach Meinung des Autorenteams am effizientesten funktionieren kann. Also bleibt dran – wir sehen uns hoffentlich bald wieder!