Das OZG (Teil II) – Auswirkungen auf die Digitalisierung der deutschen Verwaltung

Reihe: Digitalisierung im öffentlichen Sektor

In unserer Reihe „Digitalisierung im öffentlichen Sektor“ analysieren wir aktuelle Trends, sowie den Stand der Digitalisierung insb. bei Kommunen, und beleuchten diese an Beispielen aus der Praxis.

Nachdem wir vor zwei Wochen das Onlinezugangsgesetzt ausführlich beleuchtet und den aktuellen Umsetzungsstand dargestellt haben (siehe Artikel „Das OZG (Teil I) – Was steckt hinter den drei Buchstaben?“) folgt nun eine Abwägung von Chancen und Risiken bezogen auf die Auswirkungen, die das OZG auf die Digitalisierung der deutschen Verwaltung hat.

Chancen

Das OZG bietet das erste Mal überhaupt in Deutschland einen klaren gesetzlichen Rahmen für die Umsetzung von Online-Services und sorgt gleichzeitig auf Grund seiner engen Fristsetzung für einen enorm großen Umsetzungsdruck bei den öffentlichen Verwaltungen. Es bietet dem Bürger die Möglichkeit schnell, effizient und „vom eigenen Sofa aus“ jederzeit mit der Verwaltung zu kommunizieren und so das Vertrauen – insb. der jungen Generation – in eine moderne und digitale Verwaltung, die die digitale Revolution als Chance sieht, zurück zu gewinnen.

Dass dieses Gesetz auch deswegen schon lange nötig war, sieht man auch daran, dass mittlerweile viele private Unternehmen auf den Onlinemarkt drängen, die anbieten Verwaltungsdienstleistungen für den Bürger zu übernehmen. Ein Beispiel ist die Website http://www.urkunden-standesamt.de, auf der es möglich ist, verschiedene Urkunden, wie beispielsweise eine Geburtsurkunde, egal bei welcher Kommune, zu beantragen. Alles was der Anbieter hier in diesem Fall machen muss, ist den ausgefüllten Antrag an das Standesamt der entsprechenden Kommune weiterzuleiten. Der Bürger zahlt im Anschluss allerdings nicht nur das Entgelt der Kommune, sondern auch noch die Bearbeitungsgebühr des Anbieters und nimmt diese bewusst oder unbewusst in Kauf, um zur Durchführung der Dienstleistung nicht ins Standesamt der Stadt gehen zu müssen. Die Einführung des OZG und somit behördeneigener Onlinedienstleistung bietet hier die große Chance die Digitalisierung der Verwaltungsprozesse selber zu bestimmen und in öffentlicher (hoheitlicher) Hand zu behalten.

Die Kosteneinsparungspotentiale, die das OZG in Aussicht stellt, sind ebenfalls nicht zu vernachlässigen. So könnten doch immerhin im direkten Kontakt mit Bürger und Unternehmen einige Mitarbeiter in Zukunft eingespart werden, wenn die Anträge online gestellt werden würden – und zugleich die Prüfmechanismen bereits im Onlineformular durchlaufen werden. Außerdem sollen die Antragsunterlagen durch die vorgesehenen Nutzerkonten Bürgern und Unternehmen digital zugestellt werden, wobei viel Papier gespart werden könnte, was sowohl einen positiven ökologischen, als auch finanziellen Effekt hätte.

Viele externe Prozesse könnten in Folge dessen zum ersten Mal vollkommen medienbruchfrei durchgeführt werden. Somit würde sich die Digitalisierung von Verwaltungsabläufen im Generellen durch z.B. die Einführung eines Dokumentenmanagementsystems viel mehr rentieren und es könnten Synergieeffekte entstehen. Auch ist der positive Effekt nicht zu vernachlässigen, dass insb. die Kommunen durch die Landesplattformen und gemeinsamen Rechenzentren gezwungen werden, mit anderen Kommunen zu kooperieren und so Prozesse ganz neu zu überdenken und mit anderen Ideen anzureichern. So würden ganz automatisch alte und ineffiziente Prozesse aufgebrochen und verschlankt werden können.

Risiken und Lösungswege

Bei all den positiven Effekten, die das OZG für die Digitalisierungspotentiale haben könnte, gehen doch auch einige mögliche Risiken mit ihm einher:
Zunächst gibt es bei vielen Anträgen der deutschen Verwaltung immer noch eine Schriftformerfordernis, um die Authentifizierung des Antragstellers mittels Unterschrift zu gewährleisten. Dies hemmt die Einführung von Onlinedienstleistungen bzw. macht diese teils etwas sinnlos und führt zu erneuten Medienbrüchen. So können Anträge zwar online ausgefüllt werden, müssten dann aber dennoch vom Antragsteller ausgedruckt, unterschrieben und der Verwaltung in Papierform zugestellt werden, wodurch viele der bereits beschriebenen Chancen, insb. die Bürgerakzeptanz, stark eingeschränkt werden würden. Die Verwaltung ist sich dieses Risikos allerdings durchaus bewusst und arbeitet an mehreren Lösungen, von denen die vielversprechendste eine Online-Authentifizierung mittels der im Personalausweis vorhandenen NFC-Schnittstelle (wenn sie denn eingeschaltet ist) ist. Ursprünglich war dies nur mit Kartenlesegerät möglich, mittlerweile aber – mit Einführung der AusweisApp 2 – existiert die Möglichkeit, den Personalausweis auch mit dem Handy (seit kurzem sogar mit Apple-Smartphones) zu scannen und sich somit zu authentifizieren und die Bürgerakzeptanz zu sichern.

Ein großes Risiko für die angedachten Verwaltungsportale stellt das Userverhalten an sich dar. Die User werden nur schwer davon zu überzeugen sein, ein Portal zur Auffindung ihrer Services zu nutzen, anstelle bekannter Onlinesuchanbieter, wie z.B. Google. Die Portale könnten so vollkommen ungenutzt bleiben und würden eine unnötige finanzielle Belastung für Bund und Länder darstellen. Aus diesem Grund sollten die Portale möglichst schnell auch einem anderen Nutzen zugeführt werden, wie z.B. den erwähnten Nutzerkonten, um für die Bürger einen tatsächlichen Mehrwert zu generieren.

Auch die Einhaltung der geltenden Datenschutzbestimmungen (insb. der DSGVO) stellt die Umsetzung des OZG vor einige Schwierigkeiten. Im Mittelpunkt der Debatte stehen hierbei die online abgefragten Daten der Antragsteller und die Frage, wie sichergestellt werden kann, dass diese nicht missbräuchlich verwendet oder gar von Dritten entwendet werden. Das erste Risiko stellt hierbei die ungeschützte Übermittlung der Daten per E-Mail dar, denn die (zumindest theoretisch) sichere DE-Mail findet bis heute kaum Akzeptanz in der Bevölkerung. Auch dieses Problem soll sich jedoch in Zukunft durch die Nutzerkonten und einen integrierten elektronischen Datensafe lösen lassen, unter dem sich der Antragsteller seine Anträge unter einer SSL-geschützten Verbindung aufrufen und herunterladen kann. Das zweite Risiko stellt die sichere und zweckgebundene Verwahrung der Antragsteller-Daten dar, sowie die fristgerechte Löschung. Diese Problematik besteht allerdings auch ohne den elektronischen Eingang der Daten und muss von den jeweils zuständigen Rechenzentren behandelt werden.
Das letzte und vermutlich am häufigsten angesprochene Risiko des OZG bzw. der Verwaltungsdigitalisierung im Allgemeinen, besteht darin, dass hierdurch ältere Menschen und solche, die sich in der digitalen Welt nicht wohlfühlen, abgehängt und nicht mehr berücksichtigt werden. Mit diesem Argument wird jede Behörde früher oder später konfrontiert werden und muss natürlich eine Lösung finden, die zu einer gesamtheitlich befriedigenden Situation führt. Zur Lösung dieses Problems wurden bereits eine Reihe von Maßnahmen von unterschiedlichster Seite aus getestet und durchgesetzt, wie beispielsweise Digitalisierungs-, Computer und Aufklärungsworkshops, sowie barrierefreie und übersetzte Internetseiten. Grundsätzlich gilt es aber, dem Anwender und insb. den älteren Bürgern zu vermitteln, dass die Onlinedienstleistungen im Sinne des OZG nur eine Ergänzung und in absehbarer Zeit auf keinen Fall einen Ersatz des Bürgerservice vor Ort darstellen werden. Im besten Fall gelingt sogar eine Entlastung der für den direkten Bürgerkontakt zuständigen Sachbearbeiter, sodass diese sich wieder mehr Zeit für das Gespräch mit dem Bürger nehmen können.

Fazit

Das OZG enthält in Bezug auf Digitalisierungspotentiale viele klare Chancen und einige Risiken, denen aber bereits begegnet wurde oder an deren Beseitigung gearbeitet wird. Alles in allem ist das OZG somit definitiv geeignet, die digitale Revolution in Deutschland auf sicherem und legalem Weg voran zu bringen und den digitalen Austausch von Information und Kommunikation mit dem Bürger zu verbessern.

Das größte Risiko für die Digitalisierung stellt also eine nicht fristgerechte Umsetzung des OZG dar, die, wie bereits beschrieben, aktuell sehr wahrscheinlich ist. Es lässt sich aber festhalten: Umso schneller das OZG umgesetzt wird, desto besser für die Digitalisierung in Deutschland.


Verfasst von Marc Langen auf Grundlage der Hausarbeit „Chancen und Risiken für Digitalisierungspotenziale und das Controlling durch das Onlinezugangsgesetz“