Barrierefreiheit im Internet – eine kritische Auseinandersetzung mit dem BITV-Test
Die Inklusion von Menschen mit Behinderungen wird in der Gesellschaft immer präsenter. Besonders Schulen und andere Einrichtungen des öffentlichen Lebens stehen dabei im Mittelpunkt. Dabei geht es meist um praktische Maßnahmen oder Vorschriften, die es Menschen mit und ohne Behinderungen ermöglichen sollen, in gleichem Maße am öffentlichen Leben teilzunehmen.
Ein Aspekt, der in den letzten Jahren immer relevanter wird, ist die Barrierefreiheit im Internet. Eigentlich sollte es mittlerweile selbstverständlich sein, dass Menschen mit und ohne Behinderungen dieselben Möglichkeiten haben Websites zu nutzen. Dies ist leider noch nicht immer der Fall. Um zu beschreiben, wie benutzerfreundlich eine Website oder Anwendung ist, spricht man von Barrierefreiheit.
Wie aus der EU-Richtline 2016/2102 des Europaparlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen hervorgeht, bezieht sich Barrierefreiheit im Internet auf die Überwindung technischer und gestalterischer Hindernisse, die es Menschen mit Behinderungen erschweren, Websites und Web-Anwendungen zu nutzen. Es ist wichtig, dass Websites und Anwendungen für alle Benutzer zugänglich sind, unabhängig von ihren körperlichen oder technischen Einschränkungen. Dies schließt unter anderem Menschen mit Seh- oder Hörbehinderungen, Mobilitäts- oder Kognitionsbehinderungen ein.
Die Barrierefreiheit im Internet ist damit ein wichtiger Faktor für die Inklusion und die Umsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderungen auf eine gleichberechtigte Teilhabe am digitalen Leben. Eine barrierefreie Website ermöglicht es Benutzern, unabhängiger und effizienter zu arbeiten und zu kommunizieren und kann damit ihre Lebensqualität verbessern.
Leider ist die effiziente Nutzung zahlreicher Websites nach wie vor für viele Menschen mit Behinderungen eine Herausforderung. Sie stoßen auf verschiedene Hindernisse, die aus technischer oder gestalterischer Sicht bestehen können, wie beispielsweise fehlende Alternativtexte für Bilder, schlechte Kontrastverhältnisse, unzugängliche Formulare oder kompliziert gestaltete Navigationsleisten. Um diesen Hürden vorzubeugen und die Barrierefreiheit im Internet sicherzustellen, gibt es internationale Richtlinien und Standards, wie z.B. die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.0, die als Leitfaden für die Entwicklung barrierefreier Websites dienen.[1]
Ein deutsches Verfahren zur Überprüfung der Barrierefreiheit von Websites ist der BITV-Test basierend auf der Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung. Er verwendet die WCAG-Richtlinien und umfasst eine Reihe von Automatisierungstools und manuellen Prüfungen.[2]
Es sind zahlreiche Aspekte zu berücksichtigen, um eine Website barrierefrei zu gestalten.
Hier einige Beispiele, welche aus der EU-Richtline 2016/2102 des Europaparlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen erkennbar sind:
1. Zugänglichkeit von Inhalten: Die auf einer Website dargestellten Informationen sollten für alle zugänglich sein. Das kann bedeuten, Texte verständlich und gut zu strukturieren, aber auch Bilder mit einem Alternativtext zu versehen, damit auch Screenreader und Text-basierte Browser die Inhalte widergeben können.
2. Bedienbarkeit: Eine Website sollte einfach und intuitiv zu bedienen sein. Dazu gehört auch eine übersichtliche Navigation und das Vermeiden von störenden Pop-ups und automatisch startenden Videos.
3. Technische Konformität: Es ist wichtig, dass die Website technischen Normen und Standards entspricht. Dazu gehört beispielsweise die Verwendung von gültigem HTML, CSS und JavaScript sowie ARIA-Rollen, Labels und Beschreibungen, um die Bedeutung von Elementen für Screenreader zu kennzeichnen.
4. Farbkontrast: Um sicherzustellen, dass Texte und andere Inhalte für Menschen mit eingeschränkter Sehfähigkeit gut lesbar sind, sollten hohe Farbkontraste verwendet werden.
5. Multimedia-Unterstützung: Auch Benutzer mit Hör- und Sehbeeinträchtigungen sollten Zugang zu den Inhalten haben. Dazu gehört beispielsweise die Verwendung von Untertiteln, Audiodeskriptionen und alternativen Texten für Videos.
Es ist wichtig zu beachten, dass die Umsetzung dieser Faktoren kontinuierliche Überprüfungen und Anpassungen erfordert, um sicherzustellen, dass die Website für alle Benutzer zugänglich bleibt. Hierbei kann der BITV-Test ein hilfreiches Tool sein.
Der BITV-Test ermöglicht eine schnelle und effiziente Überprüfung der Barrierefreiheit einer Website und ist ein automatisiertes Instrument, das eine große Anzahl von Regeln und Vorschriften überprüft, was Zeit und Ressourcen spart, die für manuelle Überprüfungen erforderlich wären.[3]
Ein weiterer Vorteil des BITV-Tests ist, dass er Entwicklern Empfehlungen gibt, wie sie die Barrierefreiheit ihrer Website verbessern können. Durch die strukturierte Überprüfung der erforderlichen Kriterien wird aufgezeigt, welche der Anforderungen zur Barrierefreiheit noch nicht erfüllt werden.[4]
Hier noch einmal einige Vorteile des BITV-Tests zusammenfassend aufgelistet[5]:
1. Präzise Überprüfung: Der BITV-Test verwendet sowohl automatisierte Tools als auch manuelle Prüfungen, um eine Website auf ihre Konformität mit den Anforderungen an die Barrierefreiheit zu überprüfen. Dies ermöglicht eine präzisere Überprüfung als Methoden, die ausschließlich auf automatisierte Tests oder subjektive Beurteilungen zurückgreifen.
2. Transparente Überprüfungsergebnisse: Der BITV-Test liefert eine detaillierte Überprüfung des Konformitätsgrades einer Website mit den Anforderungen an die Barrierefreiheit. Dies kann es Entwicklern und Betreibern erleichtern, die notwendigen Anpassungen vorzunehmen, um die Barrierefreiheit ihrer Website zu verbessern.
3. Übereinstimmung mit internationalen Standards: Der BITV-Test berücksichtigt die internationalen Standards für Barrierefreiheit, wie die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG). Dadurch wird die Konformität einer Website mit den globalen Anforderungen an die Barrierefreiheit überprüft.
4. Förderung der Barrierefreiheit: Der BITV-Test kann dazu beitragen, dass Entwickler und Betreiber von Websites die Bedeutung der Barrierefreiheit erkennen und ihre Websites entsprechend anpassen. Dies kann die Nutzbarkeit und Zugänglichkeit von Websites für alle Benutzer verbessern, insbesondere für Menschen mit Beeinträchtigungen.
Insgesamt kann man erkennen, dass der BITV-Test ein wertvolles Instrument ist, um die Barrierefreiheit von Websites zu überprüfen und zu verbessern und es Entwicklern und Betreibern ermöglicht, ihre Dienste für alle Benutzer nutzbar und zugänglich zu machen. Vor allem ist positiv hervorzuheben, dass grundsätzlich zwei Prüfende eine manuelle Prüfung durchführen und somit die individuellen Bedürfnisse mehr Berücksichtigung finden.[6]
Trotz dieser Vorteile gibt es auch einige Nachteile bei der Verwendung des BITV-Tests. Einer der Nachteile ist, dass der Test nur einen Teil der Anforderungen an die Barrierefreiheit überprüft und daher nicht alle Aspekte einer Website bewerten kann, die für Benutzer mit Behinderungen wichtig sein können. Es ist daher wichtig, dass Entwickler auch manuelle Überprüfungen durchführen, um sicherzustellen, dass die Website vollständig barrierefrei ist.[7]
Ein weiterer Nachteil ist, dass der BITV-Test manchmal fehlerhafte Ergebnisse liefern kann. Da es sich um ein automatisiertes Instrument handelt, kann es Fehler in der Implementierung geben, die zu falschen Ergebnissen führen. Entwickler sollten daher die Ergebnisse des Tests mit Vorsicht interpretieren und durch manuelle Überprüfungen bestätigen.[8]
Hier sind einige Nachteile des BITV-Test zusammenfassend aufgelistet[9]:
1. Keine 100% Garantie für Barrierefreiheit: Der BITV-Test ist kein Allheilmittel und kann nicht garantieren, dass eine Website vollständig barrierefrei ist. Es gibt immer noch menschliches Versagen, technische Probleme und andere Faktoren, die die Konformität einer Website beeinträchtigen können.
2. Automatisierte Prüfungen haben ihre Grenzen: Der BITV-Test verwendet sowohl automatisierte Tools als auch manuelle Prüfungen, aber es ist wichtig zu beachten, dass automatisierte Prüfungen ihre Grenzen haben. Zum Beispiel kann ein automatisierter Prüfprozess nicht die Benutzbarkeit einer Website in derselben Weise beurteilen wie ein Mensch.
3. Kosten: Der BITV-Test kann mitunter kostenintensiv sein, insbesondere wenn eine Website umfassend überprüft werden muss. Es kann auch Zeit und Ressourcen erfordern, um den Test durchzuführen und die erforderlichen Anpassungen an einer Website vorzunehmen.
4. Unvollständige Überprüfung: Es ist wichtig zu beachten, dass der BITV-Test nicht alle Aspekte der Barrierefreiheit abdeckt. Es kann daher sinnvoll sein, den Test in Verbindung mit anderen Methoden und Verfahren zur Überprüfung der Barrierefreiheit zu verwenden.
Wie sich aus den beiden Auflistungen ergibt, sind einige Vorteile auch gleichzeitig Nachteile. Eine Automatisierung des Tests ist für die Ressourceneinsparung und schnelle Auswertungen von Vorteil, allerdings birgt ein automatisiertes Verfahren auch das Risiko der Fehlerhaftigkeit und kann im Falle von individuellen Behinderungen bei Menschen die manuelle Überprüfung nicht ersetzen.
Schließlich ist es wichtig zu beachten, dass ein positiver BITV-Test keine Garantie für Barrierefreiheit ist. Entwickler müssen die Anforderungen an die Barrierefreiheit fortlaufend überwachen und verbessern, um sicherzustellen, dass die Website für alle Benutzer zugänglich ist und bleibt. Da die Technologie und die Bedürfnisse von Benutzern mit Behinderungen sich ständig verändern, müssen Websites regelmäßig überprüft und verbessert werden, um sicherzustellen, dass sie stets den aktuellen Anforderungen an die Barrierefreiheit entsprechen.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der BITV-Test ein nützliches Instrument für die Überprüfung der Barrierefreiheit von Websites ist, aber nicht als alleiniges Mittel verwendet werden sollte. Sinnvoll ist es, ihn in Kombination mit manuellen Überprüfungen von einer Vielzahl an schwerbehinderten Menschen und Feedback von Benutzern mit Behinderungen zu verwenden, um sicherzustellen, dass eine Website dauerhaft vollständig barrierefrei ist.
[1] Vgl. BIK Testzentrum (Hrsg.): Der BIK WCAG-Test [elektronisch veröffentlicht, URL: https://bitvtest.de/wcag_test.html, letzter Aufruf 08.02.2023.
[2] Vgl. BIK Testzentrum (Hrsg.): Beschreibung des Prüfverfahrens [elektronisch veröffentlicht, URL: https://bitvtest.de/bitv_test/das_testverfahren_im_detail/verfahren.html, letzter Aufruf 08.02.2023.
[3] ebd.
[4] ebd.
[5] ebd.
[6] Vgl. BIK Testzentrum (Hrsg.): BITV-Test / EN 301 549 (Web) Prüfschritte [elektronisch veröffentlicht, URL: https://ergebnis.bitvtest.de/pruefverfahren/bitv-20-web, letzter Aufruf 08.02.2023.
[7] Vgl. BIK Testzentrum (Hrsg.): Der BIK WCAG-Test [elektronisch veröffentlicht, URL: https://bitvtest.de/bitv_test/das_testverfahren_im_detail/vertiefend/die_bitv_20_was_prueft_der_bitv_test_was_prueft_er_nicht.html, letzter Aufruf 08.02.2023.
[8] Vgl. BIK Testzentrum (Hrsg.): Grenzen des BITV-Tests BITV-Bedingungen der Priorität 1 [elektronisch veröffentlicht, URL: https://bitvtest.de/bitv_test/das_testverfahren_im_detail/vertiefend/bitvtest_10/grenzen/prio_1.html, letzter Aufruf 08.02.2023.
[9] ebd.