Der russische Überfall auf die Ukraine und seine Folgen für die Kommunen in Deutschland

Es ist der 24. Februar 2022, 4 Uhr morgens. Russlands Präsident Wladimir Putin läutet in einer Fernsehansprache die „militärische Spezialoperation“ in der Ukraine ein. Kurz darauf treffen die ersten Raketen ukrainische Städte und Infrastruktur, russische Militärs überqueren von mehreren Fronten die Grenzen. Im Laufe der nächsten Wochen entwickelt sich aus dem russischen Überfall ein Krieg, dessen weiterer Verlauf weitreichende Auswirkungen für das gesellschaftliche Leben und wirtschaftliche Handeln weltweit zur Folge haben wird.1

Dieser Blogbeitrag beschäftigen sich mit den Auswirkungen dieses Krieges auf die Kommunen in Deutschland und beleuchten dabei schwerpunktmäßig die Bereiche Energiekrise und Flüchtlingsaufnahme.

Energiekrise

Trotz Einsparungen von rund 10-20 %, etwa durch niedrigere Temperaturen in den öffentlichen Gebäuden, sind die Gesamtausgaben für die kommunale Strom- und Wärmeversorgung nach Schätzung des Deutschen Städte- und Gemeindebundes in Deutschland im vergangenen Jahr auf 10-15 Milliarden Euro angestiegen – und haben sich damit mindestens verdoppelt. Zudem sind häufig auch die kommunalen Energieversorger durch die anhaltende Krise unter Druck geraten – gerade für Kommunen, die sich bereits vor dem Krieg in finanzieller Schieflage befanden, ist dies ein zusätzlicher Unsicherheitsfaktor.2 3

Mittlerweile hat sich der Energiemarkt sowohl für Strom als auch Gas wieder normalisiert. Die Preise für Strom sinken insbesondere seit Anfang diesen Jahres, der Gaspreis für Neukunden ist bereits seit September letzten Jahres fallend. Trotzdem ist ein Resultat dieser neuen Gegebenheiten ein stärkerer Fokus vieler Kommunen auf den Ausbau erneuerbarer Energien. Ein gutes Beispiel hierfür ist etwa die Stadt Dorsten am nördlichen Rand des Ruhrgebiets. Hier wurde bereits Ende September 2022 der Beschluss gefasst, den Ausbau von Photovoltaikanlagen stärker zu forcieren. 500.000 € an zusätzlichen Mitteln wurden durch die Politik genehmigt, der eigentliche Ansatz auf 1.000.000 € damit erhöht. Für eine finanzielle klamme Kommune, die erst 2022 nach vielen Jahren die Haushaltssicherung verlassen konnte, eine nicht unbedeutende Summe. Doch „[a]ufgrund der geopolitischen Lage […] muss der Wechsel zu regenerativen Energien deutlich schneller vonstatten gehen als bisher gedacht“4, das hat man auch in Dorsten erkannt.5 6

Mit Blick auf die kommunale Energieversorgung muss aus Sicht des Thinktank-Projekts “Zukunft der kommunalen Energieversorger” des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberatungen (BDU) ein generelles Umdenken in diesem Bereich stattfinden. Von entscheidender Bedeutung sei hierbei insbesondere „eine aktive Steuerung, die nicht nur passiv auf die deutlich gestiegenen Anforderungen reagiert, sondern die zukünftige strategische Ausrichtung in den Mittelpunkt aller unternehmerischen Anstrengungen stellt“7. Dabei sollten Organisationsstrukturen überdacht und ein ganzheitlicher Transformationsprozess erfolgen. Der Krieg sorgt also auch in diesen Bereichen für einen zwingend notwendigen Wandel, der nach Jahren relativen Stillstands vollzogen werden muss.

Flüchtlingskrise

Über 1.000.000 ukrainische Flüchtlinge wurden in Deutschland seit beginn des Krieges offiziell registriert. Insbesondere in den ersten Wochen des Krieges gab es eine außerordentlich große Bereitschaft, Flüchtling privat aufzunehmen. Doch vielerorts stößt diese Hilfsbereitschaft langsam an ihre Grenzen, ebenso sehnen sich viele Geflüchtete nach dauerhaften Lösungen. So steigt die Nachfrage nach eigenen Wohnungen und trifft dabei, insbesondere in Großstätten wie Berlin, auf einen ohnehin schon völlig überlasteten Wohnungsmarkt. Gleichzeitig sind vielerorts kommunale Unterbringungsmöglichkeiten vollständig ausgelastet. Turnhallen, ungenutzte Gewerbeflächen oder Hotels – oft stehen Städte und Gemeinden vor einer logistischen Mammutaufgabe, die Geflüchteten unterzubringen.8

Und mit der Unterbringung allein endet die lange Liste an Problemen nicht. Viele Flüchtlinge haben traumatische Erfahrungen machen müssen, hier braucht es entsprechend Betreuungsangebote. Gleiches gilt für KiTa- und Schulplätze. “Unsere Schulsozialarbeiter gehen auf dem Zahnfleisch”, sagt [unter anderem Kaiserslauterns Oberbürgermeister] Weichel. “Wir haben uns zum sicheren Hafen erklärt”, bilanziert er die Lage, “aber sind am Ende der Unterbringungs- und Integrationsfähigkeit angekommen.”9

Für die städtischen Haushalte bedeuten diese Umstände eine erhebliche Mehrbelastung. 3,5 Milliarden Euro stellt der Bund für dieses Jahr bereit. Aus Sicht des Deutschen Landkreistag deutlich zu wenig, auch der Städte- und Gemeindebund NRW sieht zusätzlichen Handlungsbedarf. Doch in diesem Aspekt konnte der gemeinsame Flüchtlingsgipfel keine Einigung präsentieren, konkret wird es hier wohl erst nach Ostern.

Die Zukunft

Zwar gehen laut aktueller Umfragen weiterhin viele Ukrainer davon aus, nach dem Krieg zurückzukehren. Doch je länger die Kampfhandlungen andauern, desto unwahrscheinlicher wird eine Rückkehr in die Heimat. Nicht nur, weil sich neue Existenzen aufgebaut und sich soziale Umfelder gebildet haben, sondern auch praktisch eine Rückkehr in die alte Heimat oft kaum möglich ist, denn viel Städte sind durch den anhaltenden russischen Beschuss nicht mehr als Ruinen. Ein möglicher Wiederaufbau dürfte viele Jahre in Anspruch nehmen. Die Erfahrungen aus vergangenen Konflikten zeigen, dass nur rund ein drittel der Geflüchteten wieder in ihre Heimatländer zurückkehren. Damit wird eine frühzeitige Integration noch entscheidender – vor dem Hintergrund des wachsenden Fachkräftemangels auch für die deutsche Wirtschaft.10

Die Herausforderungen werden jedoch nicht kleiner. Die anhaltenden Krisen im Nahen Osten sorgen für steigende Flüchtlingszahlen auch in diesem Bereich. 2022 waren es über 200.000 Menschen und damit so viele wie seit vielen Jahren nicht mehr. Und während diese Zeilen entstehen, wird das Ausmaß der Zerstörung durch das Beben in der Türkei und Syrien immer deutlicher, die Bundesregierung arbeitet bereits an speziellen Visa-Plänen. Die Lage in den Kommunen wird daher angespannt bleiben.

Ein Fazit

Die Bereiche „Energie“ und „Flüchtlinge“ zeigen beispielhaft: Die Kommunen stehen auch 2023 vor einem weiteren „Krisenjahr“, dessen Intensität vielfach durch die weltpolitische Lage bestimmt werden wird. Und auch die vorangegangenen Jahre haben ihre Spuren hinterlassen: Bereits jetzt trifft ein kommunale Defizit von 6 Milliarden Euro allein 2022 auf einen „Investitionsrückstand in Höhe von annähernd 160 Milliarden Euro“11. Investitionen werden zurückgefahren, die gerade im Energiebereich für ein unabhängigeres und ökologischeres Wirtschaften sorgen könnten. Gleichzeitig fehlt dringend benötigtes Personal in fast allen Bereichen, auch bei der so wichtigen Integrationsarbeit. Ohne finanzielle Unterstützung und tiefgreifende Reformen werden die meisten Kommunen diese Mammutaufgabe kaum bewältigen können.


Quellen

[1] Vgl. Walter, J. (24.03.2022): Vier Wochen Krieg in der Ukraine – eine Chronologie, Deutsche Welle, URL: https://www.dw.com/de/vier-wochen-krieg-in-der-ukraine-eine-chronologie/a-61238401 (zuletzt abgerufen am 03.02.2023)

[2] Vgl. ARD-aktuell (Hrsg.) (01.02.2023): Die Energiesparvorgaben greifen, URL: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/staedte-gemeinden-energiesparverodnung-potenzial-101.html (zuletzt abgerufen am 14.02.2023)

[3] Vgl. Bundesverband Deutscher Unternehmensberatungen BDU e.V. (Hrsg.) (09.02.2023): Energieversorger sind zu umfassenden Anpassungen gezwungen, URL: https://www.bdu.de/news/energieversorger-sind-zu-umfassenden-anpassungen-gezwungen/ (zuletzt abgerufen am 20.02.2023)

[4] Stadt Dorsten (Hrsg.): Drucksache Nr. 173/22 – Errichtung von Photovoltaikanlagen auf städtischen Gebäuden; URL: https://dorsten.more-rubin1.de/vorlagen_details.php?vid=20222306100190 , S. 2

[5] Vgl. Stadt Dorsten (Hrsg.): Haushalt 2022, URL: https://dorsten.digiportal.de/_Resources/Persistent/4/c/f/1/4cf1d3dd76b0d8b7910e556ca3c482fae02f45fd/Haushalt%202020_2021.pdf , S.17

[6]  Maciejewski, C., Behrend, A.: Gaspreis aktuell: So viel kostet die Kilowattstunde, Norddeutscher Rundfunk, URL: https://www.ndr.de/ratgeber/verbraucher/Gaspreis-aktuell-wie-viel-kostet-Kilowattstunde,gaspreis142.html (zuletzt abgerufen am 21.02.2023)

[7] Bundesverband Deutscher Unternehmensberatungen BDU e.V. (Hrsg.) (09.02.2023): Energieversorger sind zu umfassenden Anpassungen gezwungen, URL: https://www.bdu.de/news/energieversorger-sind-zu-umfassenden-anpassungen-gezwungen/ (zuletzt abgerufen am 18.02.2023)

[8] Vgl. Kretschmer, C. (16.02.2023): Kommunen an der Kapazitätsgrenze, ARD-aktuell, URL: https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/kommunen-gefluechtete-103.html (zuletzt abgerufen am 20.02.2023)

[9] Kretschmer, C. (16.02.2023): Kommunen an der Kapazitätsgrenze, ARD-aktuell, URL: https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/kommunen-gefluechtete-103.html (zuletzt abgerufen am 20.02.2023) 

[10] Semenova, T. (01.02.2023): Russia´s war forced millions of Ukrainians to flee abroad. How many willl return?; The Kyiv Independent; URL: https://kyivindependent.com/national/russian-war-forced-millions-of-ukrainians-to-flee-abroad-how-many-will-return (zuletzt abgerufen am 15.02.2023)

[11] heute im Bundestag (Hrsg.) (28.09.2022): Kommunen geraten wegen Energiekrise weiter unter Druck, URL: https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-912700 (zuletzt abgerufen am 19.02.2023)