Lebenslanges Lernen – Vom Lernenden zum Lehrenden

„Lebenslange Lernen“ ist heutzutage in aller Munde und wird von Arbeitgebern vorausgesetzt.

Viele von uns sind noch sehr jung und das Lernen fällt uns leicht, aber oft wird es im Alter schwieriger. Vor allem, wenn man aus dem klassischen Lernen ein paar Jahre raus ist.

Diese Erfahrung musste ich machen, als ich die Chance bekam das Lehren zu lernen. Mein Vorgesetzter hat mich letztes Jahr gefragt, ob ich bereit wäre für eine Qualifizierungsmaßnahme den Unterricht für das Fach „öffentliche Finanzwirtschaft“ zu übernehmen. Die Besonderheit lang darin, dass ein Großteil der Teilnehmer deutlich älter war als ich.

Bevor ich euch von meinen Erfahrungen und den Herausforderungen berichte, möchte ich mich kurz vorstellen.

Nach dem Abitur absolvierte ich eine Verwaltungsausbildung bei einer Stadt, um anschließend den „Bachelor of Laws“ in der Landesverwaltung zu machen. Mein Einsatzgebiet ist nun seit 2017 der Haushaltsbereich bei einer Bezirksregierung. Schnell habe ich festgestellt, dass mein bisher erlangtes Wissen mir nicht ausreicht, sodass ich seit September 2018 wieder die Schulbank an der FH-Dortmund drücke, um den Master in Betriebswirtschaft für New Public Management zu erlangen.

Als mein Vorgesetzter mich dann fragte, ob ich Lust hätte den Unterricht zu übernehmen, war für mich schnell klar: Lust – Ja, aber habe ich dafür Zeit?

Der Unterricht sollte im Oktober beginnen und je 2 Stunden pro Woche bis April laufen. Das bedeutete, dass ich neben meiner 41 Stunden-Woche und dem Studium mit der ersten Klausuren Phase einen zusätzlichen Aufwand hätte. Dennoch entschied ich mich dazu diese Herausforderung anzunehmen.

Mit dieser Entscheidung begann auch direkt die Vorbereitung. Mir wurden die Lerninhalte und Lernziele mitgeteilt, sodass ich früh mit der Unterrichtsvorbereitung beginnen konnte. Zwar konnte ich viele Unterlagen aus meinen bisherigen Stationen übernehmen, trotzdem kostete mich jede Unterrichtsstunde sechs bis sieben Stunden Vorbereitung. Neben der inhaltlichen Aufarbeitung ging es nun auch darum, wie diese Lerninhalte am besten vermittelt werden konnten. Dazu stellte ich mir die Frage, wer die Teilnehmer sind und welche Hintergründe sie haben. Die Altersspannweite lag zwischen 25 und 55 Jahren, einige hatten gerade eine Ausbildung beendet und einige waren seit über 25 Jahren berufstätig.

Eine weitere Frage, die mich lange beschäftigt hat, war, wie viel man überhaupt in einer Unterrichtsstunde durchzunehmen schafft.

Vor meiner ersten Unterrichtsstunde war ich dementsprechend nervös, da ich nicht wusste, ob mein Plan aufgeht. Ich hatte mir zur ersten Stunde einen genauen Ablaufplan erstellt und bin die Begrüßung mehrmals im Kopf durchgegangen, denn der erste Eindruck zählt ja bekanntlich. Aber es lief dann nach meinem Empfinden auch sehr erfolgreich, sodass ich wirklich Spaß an der Sache bekam und mich auf die weiteren Stunden freute.

Allerdings musste ich schnell feststellen, dass man nie so viel schafft wie man sich vornimmt. Diese Tatsache setzte mich bis zur letzten Stunde unter Druck, da die Lerninhalte durchgenommen werden mussten.

Weiterhin musste ich feststellten, dass für mich klare Arbeitsanweisungen von den Teilnehmenden oftmals nicht auf Anhieb verstanden wurden. Dies erforderte eine erneute Bearbeitung der Unterlagen und eine andere Herangehensweise. Oftmals besprach ich die ersten Aufgaben mit den Teilnehmenden zusammen, damit sie wussten, wie sie zur Lösung kommen.

Um das komplexe Thema „Haushaltsrecht“ zu besprechen bat ich die Teilnehmenden von Anfang an selbst Beispiele zu entwickeln, sodass wir anfingen gemeinsam zu überlegen, welche Auswirkungen das Haushaltsrecht auf den privaten Haushalt hätte. Neben Visualisierungen half dies beim Verständnis.

Bei Nachfragen musste ich feststellen, dass man als Dozent nicht auf alles sofort eine Antwort hat und dies auch offen zugeben kann. Bevor man sich eine unbefriedigende Antwort aus den Fingern saugt, ist es in solchen Fällen besser, die Lernenden zu vertrösten und die Antwort in der nächsten Stunde nachzuliefern.

Da viele der Teilnehmenden jahrelang keine Klausur geschrieben hatten, beschloss ich eine Probeklausur zu schreiben. Das Ergebnis zeigte, dass dies die richtige Entscheidung war. Die Ergebnisse deckten das ganze Notenspektrum ab und verdeutlichten den unterschiedlich hohen Übungsbedarf der Teilnehmenden. Während des Korrigierens wurde mir klar, dass es nicht einfach ist jede Klausur gleichermaßen objektiv zu beurteilen. Die Korrektur eine sauber geschriebene nach Aufgaben gegliederte Klausur macht mehr Spaß, als eine bei der man jedes zweite Wort erraten und sich die Lösungen in einem Zettelwirrwarr suchen muss.

Die Ergebnisse der Probeklausuren waren insofern hilfreich, um nochmals Knackpunkte zu identifizieren und aufzuarbeiten.

Ich habe in der Zeit als Lehrende mindestens genauso viel gelernt wie die Kursteilnehmer. Es war eine Herausforderung auf die Teilnehmer und deren unterschiedlichen Lerntypen einzugehen und alle thematisch mitzunehmen.

Ob mein Unterricht erfolgreich war, wird sich Ende des Jahres zeigen, wenn die Abschlussklausuren anstehen. Als Mitglied des Prüfungsausschusses werde ich dies hautnah miterleben und nochmals neue Erfahrungen sammeln können.

Ich kann nur jedem empfehlen sich dieser Herausforderung anzunehmen, wenn sich die Gelegenheit ergibt. Auch wenn der Aufwand finanziell nicht lohnt, bringt es einen persönlich weiter. Man schafft mehr, als man sich persönlich oftmals zutraut.